Thomaner sein
Im Zentrum eines Thomanerlebens steht selbstverständlich die Musik.
Natürlich prägen sich mit der Zeit zusätzliche individuelle Interessengebiete heraus. Grundsätzlich kann mit der erworbenen Hochschulreife jede Studienrichtung angestrebt werden. Vor allem Jura, Medizin und Theologie stehen bei den angehenden Studenten hoch im Kurs. Einige Abiturienten jedoch bleiben der Musik auch beruflich treu. Bekannte Orchesterleiter, Sänger, Komponisten und Musiker sind im Laufe der Jahrhunderte aus dem Thomanerchor hervorgegangen, und manch einer wurde später selbst Thomaskantor, wie Georg Christoph Biller, der dieses Amt seit 1992 inne hat.
Die Jahre des Zusammenlebens in Chor und Alumnat bedeuten weitaus mehr als »nur« Gesang, letztlich sind sie ein Gewinn für jeden Einzelnen und für das spätere Leben prägend. Alle ehemaligen »Thomasser« sind und bleiben nicht nur der Musik in irgendeiner Weise verbunden, auch nach der gemeinsamen Schulzeit pflegen sie untereinander jahrelange intensive Freundschaften. Viele Ehemalige kommen zu Besuch, singen als Gäste im Chor mit oder engagieren sich in Förderkreis und Stiftung für »ihren« Thomanerchor, denn sie alle verbindet die Gewissheit:
»Einmal Thomaner, immer Thomaner.«
Der Beginn der langen und einzigartigen Chortradition liegt beeindruckende acht Jahrhunderte zurück. Im Jahr 1212 – Leipzig besaß erst kurze Zeit das Stadt- und Marktrecht – wurde der Thomaskirche eine Schule angegliedert, wo die Knaben vor allem dafür ausgebildet wurden, den musikalischen Dienst anstelle der Chorherren zu übernehmen. Die Thomasschule war zugleich Leipziger Bürgerkindern zugänglich und gilt daher als Deutschlands älteste öffentliche Schule. Über einen Zeitraum von 300 Jahren blieb sie auch Leipzigs einzige Schule. Der Thomanerchor ist somit Leipzigs älteste Kultureinrichtung.
Die Musik besaß im mittelalterlichen Bildungskanon einen sehr hohen Stellenwert, in ihr sah man die göttliche Ordnung widergespiegelt. Die Thomaner sangen, quasi als Gegenleistung für Schulbildung und Unterkunft, während der Gottesdienste, bei Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen sowie Veranstaltungen der Ratsmitglieder.
Im Zuge der Einführung der Reformation in Leipzig kamen im Jahr 1543 die Thomasschule, und somit auch der Chor, unter städtisches Patronat. 1553 erhielt die Thomasschule ein neues Schulgebäude, das mit einigen Umbauten bis 1902 stand. Damals lag die Schule direkt neben der Thomaskirche. Rektor und Kantor bewohnten gemeinsam mit den Wocheninspektoren und den Schülern das Thomasschulhaus.
Heute leben, lernen und proben die Thomaner im knapp 1000 Meter vom historischen Standort entfernten Alumnat und besuchen das gegenüberliegende Thomasgymnasium. Die kurzen Wege zwischen Schule, Stube und Probenräumen ermöglichen es, neben dem ganz normalen Alltag das hohe Arbeitspensum zu meistern und trotzdem noch genügend Freizeit zu haben.
Quelle:Thomaner.de